Große Liebe - Stories von Why-Not

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Kurzgeschichten
Große Liebe
Es war bereits sein drittes Glas. Cola, natürlich. Schließlich wollte er sich nicht betrinken. Wobei er sich allmählich fragte, ob Betrinken nicht die bessere Alternative wäre. Er schaute sich schüchtern um. Klar, hier gab es auch einige gutaussehende Frauen, die nicht gerade im Gespräch mit charmanten Dampfplauderern waren. Aber diese schauten meist herablassend bis mißbilligend in die Menge. Resigniert ließ er seinen Blick schweifen.
  Plötzlich sah er sie. Kein ‚Sprich-mich-nicht-an-Blick’, sondern ein freundliches, gewinnendes Lächeln. Im ersten Moment war er so perplex, daß er wegschaute. Erneut blickte er in ihre Richtung. Sie lächelte noch immer. Und er lächelte zurück. Schaute sie wirklich ihn an? Oder gab es irgend jemanden hinter oder neben ihm, der gemeint war? Er nahm sein Glas, ging ein Stück zur Seite und auf sie zu. Sie behielt ihm weiterhin im Auge.
  Nur mühsam zwang er sich, hin und wieder seinen Blickkontakt zu ihr zu unterbrechen und auf seine unmittelbare Umgebung zu achten. Jetzt über einen im Weg stehenden Stuhl zu stolpern, war dann doch nicht seine Vorstellung einer gelungenen Kontaktaufnahme. Obwohl ihn das zumindest um die Verlegenheit gebracht hätte, ein originelles Gesprächsthema zu finden, dachte er lächelnd. Schließlich stand er vor ihr. Dabei gönnte er sich einen ganz kurzen Blick auf ihre gesamte Erscheinung. Mehr traute er sich nicht. Schließlich wollte er bei ihr nicht den Eindruck erwecken, er würde sie taxieren. Obwohl es natürlich genau darum ging. Sie sah gut aus. Und sie machte einen gepflegten Eindruck.
 „Du bist das erste Mal hier?“, nahm sie ihm die Entscheidung über das Gesprächsthema ab.
  „Ja. Kommst du oft her?“
  „Manchmal.“
  Fieberhaft überlegte er, wie er das Gespräch in Gang halten könnte. Ob er sie zu einem Getränk einladen sollte? Das war wohl noch etwas zu früh.
  „Nette Musik“, sagte er nach kurzem Nachdenken. Einen Preis für originellen Smalltalk würde er dafür nicht bekommen.
  „Ja, aber etwas laut.“
  Dann fügte sie noch etwas hinzu, was er wegen der Lautstärke nicht verstand. Er schaute sie fragend an. Und sie winkte ihn dichter zu sich heran.
  „In dem Raum nebenan ist die Musik leiser. Sollen wir rüber gehen?“
  Er hatte vorhin nur mal einen kurzen Blick in den Raum geworfen. Dort tanzten Paare eng umschlungen zu langsamer und leiser Musik. Wollte sie etwa gleich mit ihm auf ‚Tuchfühlung’ gehen? So erfolgreich hätte er sich den Abend in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Sein Herz raste, während er mit ihr den Raum mit der langsamen Musik betrat. Ein bißchen Enttäuschung stellte sich dann aber doch ein, als sie zielstrebig auf einen der Tische zuging. Na ja, gleich eng umschlungen war ihr dann wohl doch zu schnell.
  „Falls du magst, können wir tanzen“, überraschte sie ihn erneut. „Dein Glas solltest du aber erst hier abstellen.“
  „Klar, natürlich. Ähm ... ich meine ... ja, gerne.“
  Er kam sich vor wie ein Schuljunge.
 ‚Reiß dich zusammen’, fauchte er sich innerlich an. Behutsam stellte er sein Glas auf dem Tisch ab. Sie lächelte ihn noch immer offen und auffordernd an.
  ‚Jetzt nichts verkehrt machen’, dachte er sich. ‚Nicht zu schüchtern, aber auch nicht zu forsch. Es soll schließlich nicht gierig wirken.’
  Sie schlang ihm ihre Arme um den Hals und legte ihren Kopf an seinen. Eine Hand lag dabei in seinem Nacken. Er legte seine Hände auf ihren Rücken und drückte sie vorsichtig an sich. Sie roch gut. Etwas nach Rosen, aber auch noch nach irgend etwas anderem.
  Als ihre Hand damit begann, ihn im Nacken zu streicheln, wurde auch er mutiger. Während die rechte Hand ihren Rücken hinaufwanderte, rutschte seine linke langsam auf ihren Po zu. Sie drückte sich dichter an ihn und er hoffte, daß die Musik die nächsten Stunden nicht aufhörte.
  „Laß mich mal raten“, flüsterte sie ihm zu, während sie weiterhin sein Genick streichelte, „wie es jetzt weitergeht. Du lädst mich zu dem einen oder anderen Getränk ein. Dann gehen wir vielleicht noch eine Kleinigkeit essen und du wirst anbieten, mich einzuladen. Nächste Woche verabredest du dich mit mir im Kino, führst mich in ein Restaurant aus und hoffst, daß ich dich irgendwann demnächst mit nach hause nehme und wir es wild miteinander treiben. Liege ich ungefähr richtig?“
  Schlagartig bekam er einen trockenen Mund. Ja, sie hatte recht. Er hatte das zwar noch nicht geplant, aber so ungefähr hatte er sich das schon vorgestellt oder zumindest erhofft.
  „Ich ... will dich nicht zu irgend etwas drängen ...“
  „Sag mir einfach, ob ich grundsätzlich richtig liege.“
  „Also ... irgendwie schon.“
  Hoffentlich war das jetzt nicht die falsche Antwort. Aber sie schmiegte sich noch immer an ihn.
  „Gut. Dann hast du mindestens eine Woche Zeit und 100 einkalkuliert“, fuhr sie fort. „Ich mache dir einen Vorschlag. Gib mir € 50 und wir gehen gleich in meine Wohnung.“


  Matt und schwer atmend lag er in ihrem bequemen Bett. Sie lächelte ihn an und fuhr mit spitzen Fingern auf seinem Körper entlang. Er spürte, daß nur seine tiefe Erschöpfung eine neuerliche Erregung verhinderte.
  „Und? War es die 50 Euronen wert?“, fragte sie ihn mit einem schelmischen Lächeln.
  „Ich weiß zwar nicht, was man andernorts dafür geboten bekommt, aber besser als Kino und Restaurant war es allemal.“
  Sie lachte laut los und er stimmte ein. Auch, wenn er dabei eine gewisse Traurigkeit spürte. Nicht, daß er sich nicht gut amüsiert hätte. Aber irgendwie war es doch etwas anderes, wenn man dafür zahlen mußte. Unpersönlich und unverbindlich. Zumindest ein wenig.
  „Ich bin froh, daß du dich von dem Geld nicht hast abschrecken lassen“, gab sie im Plauderton von sich, während sie ihn weiter streichelte, „Ich kann nämlich Spießer nicht leiden, die einerseits mit jeder Frau ins Bett wollen, andererseits aber die Frauen als Flittchen verachten, bei denen ihnen das gelungen ist. Wenn man solchen Typen selbstbewußt mit so einem Vorschlag kommt, zerstört man ihr Bild vom dummen Weibchen, daß man erobern und dann vergessen kann. Das kratzt an ihrem Selbstbewußtsein und sie ergreifen die Flucht.“
  „Außerdem“, fügte sie frech grinsend hinzu, „kann ich Kinofilme für Liebespaare nicht leiden.“

© 11/2006 Why-Not

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