Die Sklavin des Patriziers - Stories von Why-Not

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Die Sklavin des Patriziers
von Why-Not

Tredition Verlag

SM-erotische Erzählung (SF-Abenteuer)

294 Seiten

ISBN 978-3-7482-7602-9 (Buch)
ISBN 978-3-7482-7603-6 (eBook)
Inhalt des Romans
Brutale Piratenüberfälle bedrohen den Handel der Stadtstaaten am  Salzmeer. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, schließen die hochrangigen  Adeligen der Städte ein Zweckbündnis, sich den Piraten gemeinsam  entgegenzustellen. Bald entdecken die Verbündeten jedoch, dass die  Piraten die geringste Bedrohung darstellen. Eine geheimnisvolle Macht  mit überlegenen Fähigkeiten greift nach der Vorherrschaft in der ganzen  Region.
Flavius Secundus, ein einflussreicher Patrizier aus  Nova-Veni, und Aluna, die Herrscherin von Bator, kommen als erste  dahinter, dass sie es nicht nur mit menschlichen Gegnern zu tun haben.  Aluna nimmt einen Attentäter der mächtigen Feinde gefangen. Nachdem sie  ihn mit Lustfolter gefügig gemacht hat, liefert er ihr wertvolle  Informationen über ihre Widersacher und setzt später aus Liebe zu ihr  sogar sein Leben ein, um sie im Kampf gegen die Bedrohung zu  unterstützen. Auch die anfangs recht widerborstige Sklavin Letitia, die  Flavius auf einem Markt erworben hat, entdeckt mit der Zeit zarte  Gefühle für ihren Herrn und hilft ihm nach Kräften bei seiner Sache.  Dass Flavius die Gefühle seiner Sklavin erwidert, sorgt für weitere  Schwierigkeiten. Er riskiert sein Leben bei dem Versuch, sie zu retten,  als sie von den Feinden entführt und gefangen gehalten wird.
Leseprobe
1

 »Schiffbrüchiger backbord voraus!«
Flavius traf fast zeitgleich mit dem Kapitän beim Rudergänger ein. Dieser warf Flavius einen kurzen, fragenden Blick zu, den er mit einem leichten Nicken beantwortete.
 »Bergen Sie den Schiffbrüchigen«, wies Kapitän Rufus den Steuermann an.
 »Schiff klar zur Halse!«, rief dieser laut aus.
 Das Schiff schoss am Schiffbrüchigen vorbei, fiel vom Kurs hart am Wind ab und drehte langsam nach steuerbord. Die einzige Möglichkeit, direkt bei dem Schiffbrüchigen zu halten war, einen weiten Kreis zu fahren und das Segelschiff so gegen den Wind zu lenken, dass es seinen Schwung genau an der Stelle aufgebraucht hatte, an der der Mann im Wasser lag. Erneut passierten sie den im Wasser treibenden Mann, diesmal allerdings in noch größerer Entfernung und auf entgegengesetztem Kurs. Das Schiff ging mit dem Heck durch den Wind und das große Dreieckssegel wölbte sich in die andere Richtung.
 »Klarmachen zur Wende in den Wind und zur Bergung auf backbord!«, war das nächste Kommando des Steuermanns. Sie verloren bereits deutlich an Fahrt. Schließlich fuhr das Schiff nur noch mit seinem Schwung gegen den Wind und direkt auf den Schiffbrüchigen zu.
 »Etwas weiter steuerbord, sonst gibt es gleich nichts mehr zu bergen«, wies Kapitän Rufus nach einem Blick über die Backbordreling seinen Steuermann halblaut an. Der Steuermann reagierte sofort und drehte das Ruder etwas nach steuerbord, um den Schiffbrüchigen nicht zu überfahren. Sie kamen genau neben ihm zum Stehen.
 »Saubere Arbeit«, lobte Flavius den Steuermann, während zwei Matrosen bereits damit begonnen hatten, den Mann aus dem Salzwasser zu bergen. Er musste schon Stunden dort zugebracht haben, denn sein Gesicht und auch seine Kleider waren bereits salzverkrustet. Aufgrund des enormen Salzgehaltes war es zwar fast unmöglich, in dem Wasser unterzugehen, dafür litt man in dieser Lake allerdings bereits nach wenigen Minuten unter den Ablagerungen, die die Haut stark reizten und einen innerlich austrocknen ließen. Dementsprechend war der Zustand des Geretteten erbarmungswürdig. Es war erstaunlich, dass er überhaupt noch bei Bewusstsein war.
 »Bringt ihn unter Deck und gebt ihm erst mal zu trinken«, wies der Kapitän die Matrosen an.
 »Wir haben nicht genug Wasser an Bord, um ihm das Salz abzuwaschen. Und er braucht einen Arzt. Ich glaube nicht, dass wir gegen den Wind rechtzeitig in Yaku eintreffen werden.«
 »Das habe ich auch schon befürchtet, Kapitän«, sagte Flavius mit einem Seufzer. »Nehmen Sie wieder Kurs auf Bator. Wir liefern ihn dort ab.«
 Der Kapitän nickte kurz und gab dem Steuermann entsprechende Order. Kurz danach segelten sie wieder vor dem Wind zurück nach Bator, das sie vor drei Stunden erst verlassen hatten.

 »Wie geht es unserem Passagier?«, wollte Flavius eine halbe Stunde später wissen, als sich Bator bereits am Horizont abzeichnete. Mit dem Wind kamen sie viel schneller voran, nur halt leider nicht in die Richtung, in die sie eigentlich wollten.
 »Den Umständen entsprechend«, antwortete der Matrose, der gerade vom Schiffbrüchigen kam. »Er hat viel Wasser verloren. Und das Salz hat Augen und Atemwege ziemlich verätzt. Wenn es wenigstens nur Kochsalz wäre ...«
 »Hat er sich schon dazu geäußert, wer er ist und wieso er im Wasser trieb?«
 »Er heißt Sato und war Passagier auf einem Schiff, das überfallen wurde. Die Seeleute wurden alle getötet. Und ihn hat man ins Wasser geworfen. Die Piraten fanden es besonders witzig, dass er von hier langsam in Richtung Staubmeer treiben würde.«
 »Das hört sich nicht nach den üblichen Piraten von Kuza an. Mord ist schlecht fürs Geschäft. Eine tote Crew kann man kein zweites Mal überfallen. Normalerweise geben sie sich mit der Hälfte der Ladung zufrieden. Allerdings habe ich auch noch nie gehört, dass sie so weit östlich zuschlagen.«
 »Er sagte, es seien andere Piraten gewesen. Für die Ladung haben die sich gar nicht interessiert. Sie haben sie einfach über Bord geworfen. Sie wollten nur das Schiff.«
 »Seltsam. Und ziemlich beunruhigend.«
 Flavius ging zur Brücke und schaute dem Rudergänger zu, wie er allmählich die Manöver zum Anlegen in Bators Hafen einleitete. Er schätzte die Ruhe und Präzision, mit der die Mannschaft sein Schiff steuerte. Kurz vor den massigen, salzverkrusteten Mauern des Hafens von Bator kam das Schiff fast zum Stillstand. Taue wurden den Hafenarbeitern zugeworfen, die an diesen mittels einer Winde das Schiff zu seinem Ankerplatz dirigierten.

 »Schon wieder zurück?«, wollte der beleibte Hafenmeister von Flavius wissen, als sie schließlich angelegt hatten.
 »Wir haben einen Schiffbrüchigen aufgelesen. Sato ist sein Name.«
 Der Hafenmeister wurde sehr ernst und dienstbeflissen. Er wies zwei Arbeiter an, sofort mit einer Tragbahre zu erscheinen.
 »Wie ist das denn passiert?«, wollte er wissen.
 »Soweit ich mitbekommen habe, ist er von unbekannten Piraten überfallen worden. Genaueres weiß ich allerdings selbst nicht. Der Mann muss bereits Stunden im Salzwasser getrieben haben.«
 Bei der Erwähnung unbekannter Piraten verdüsterte sich die Miene des Hafenmeisters schlagartig. Offenbar war das nicht der erste Zwischenfall dieser Art. Und offensichtlich wollte er auch nicht, dass diese Nachricht sich verbreitete.
 »Bitte bewahren Sie Stillschweigen über diese Angelegenheit. Sie und Ihre Mannschaft. Und kommen Sie bitte nachher – am besten so in zwei Stunden – in mein Büro in der Hafenmeisterei. Oder wollen Sie gleich wieder auslaufen?«
 Flavius begann, neugierig zu werden. Und es war sicher nicht verkehrt, mehr über die Bedrohung durch unbekannte Piraten zu erfahren, auch wenn er ziemlich sicher war, mit seinem Schiff allen Piraten davonsegeln zu können.
 »Ich werde in zwei Stunden da sein.«
 Der Hafenmeister wandte sich bereits zum Gehen, während Sato auf einer Trage vom Schiff gebracht wurde. Dann drehte er sich noch einmal zu Flavius um.
 »Ach ja, Hafengebühren zahlen Sie natürlich keine.«

 »Danke, dass Sie gekommen sind«, eröffnete eine Dame mit befehlsgewohnter Stimme die Unterhaltung, nachdem Flavius das Büro des Hafenmeisters aufgesucht hatte. Letzterer saß etwas verkrampft an seinem Schreibtisch, während besagte Dame in einem Sessel am anderen Ende des Büros Platz genommen hatte. Flavius setzte sich in einen Sessel ihr gegenüber.
 »Wenn es um das Auftauchen geheimnisvoller Piraten geht, ist es auch in meinem Interesse, mehr zu erfahren. Zumal diese sich offenbar deutlich unprofessioneller verhalten als ihre Kollegen aus Kuza.«
 Die Dame musterte ihn aufmerksam und unverhohlen.
 »Sie reden weder wie ein Seemann, noch wie ein Kaufmann. Wer sind Sie? Entschuldigen Sie. Ich sollte mich zunächst einmal dafür bedanken, dass Sie Sato das Leben gerettet haben. Aber ich weiß gerne, mit wem ich es zu tun habe.«
 Flavius lächelte.
 »Das geht mir nicht anders. Auch mir ist es lieber, wenn ich meine Gesprächspartner einordnen kann. Vermute ich richtig, dass ich mit Ihnen Aluna, die Herrscherin von Bator, vor mir habe?«
 Einen Moment schaute sie ihn verblüfft an. Dann lächelte auch sie.
 »Spätestens jetzt weiß ich zumindest, dass ich einen scharfsinnigen Gesprächspartner habe. Wie sind Sie darauf gekommen? Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
 »Tja, so eingeschüchtert, wie unser werter Hafenmeister hinter seinem Schreibtisch sitzt, müssen Sie eine sehr bedeutende Persönlichkeit hier sein. Ihr Auftreten unterstreicht diesen Eindruck. Die Brosche, die Ihren vermeintlich unscheinbaren Umhang zusammenhält, würde einen Seemann ein Jahr lang ernähren können. Und da Bator bekanntlich von einer Frau regiert wird, die es vorzieht, öffentlich kaum in Erscheinung zu treten, lag es zumindest nahe.«
 »Was mich betrifft«, fuhr Flavius nach einem Moment fort, »bin ich tatsächlich sowohl Seemann als auch Kaufmann. Außerdem bin ich einer der Patrizier von Nova-Veni, wenn auch einer der weniger bedeutenden – Flavius Secundus.«
 »Dann war Satos Mission ja doch zumindest teilweise erfolgreich. Wenn auch anders als geplant. Ich hatte ihn damit beauftragt, bei den Herrschenden von Nova-Veni um Unterstützung für den Kampf gegen diese neue Bedrohung zu werben. Denn ich denke, es ist im Interesse unserer beiden Handelsstädte am Salzmeer, wenn die Hauptrouten relativ sicher sind. Deswegen will ich auch nicht, dass die Angelegenheit publik wird. Das würde nur die Preise nach oben treiben, ohne etwas an der Bedrohung zu ändern.«
 »Weitere verschollene Schiffe und Seeleute werden Sie kaum geheim halten können. Und eine Bedrohung, die den Herrschenden zwar bekannt ist, aber geheim gehalten wird, fördert auch nicht gerade Handel und Wohlstand. Das ist eher der Nährboden für Aufstände und Revolutionen.«
 Aluna schaute ihn nachdenklich an.
 »Das Schiff, mit dem Sato nach Nova-Veni aufbrach, war das bestbewaffnetste, das wir hatten. Ich sehe im Moment keine Möglichkeit, etwas gegen diese Bedrohung zu unternehmen.«
 »Vielleicht ist das ein Fall, bei dem der Feind des Feindes ein Freund sein kann«, antwortete Flavius nachdenklich. »Die Piraten von Kuza werden sicher nicht glücklich darüber sein, dass es jetzt eine Bedrohung gibt, die möglicherweise die gesamte Handelsschifffahrt auf dem Salzmeer lahmlegt. Vielleicht lässt sich ja eine Vereinbarung mit ihnen treffen, dass sie – gegen eine angemessene Beteiligung an den transportierten Gütern – für die Sicherheit sorgen. Schließlich haben sie die größte Flotte bewaffneter Schiffe auf dem Salzmeer.«
 »Vorher sollten wir allerdings versuchen, von Sato zu erfahren«, fuhr Flavius nach einer kleinen Pause fort, »wieso ein gut bewaffnetes Schiff den Piraten in die Hände fallen konnte.«
 »Ich hatte schon von dem Scharfsinn und dem Erfindungsreichtum des Flavius Secundus gehört«, meinte Aluna anerkennend. »Ganz offensichtlich waren diese Gerüchte nicht übertrieben. Aber Sie haben recht, wir sollten uns mit Sato unterhalten, sobald er dazu in der Lage ist. Ich hoffe, das wird bereits morgen sein. Bitte seien Sie bis dahin mein Gast. Für Ihre Mannschaft lasse ich ebenfalls geeignete Quartiere herrichten.«
 »Die Seeleute bleiben am liebsten auf dem Schiff. Ich nehme Ihre Einladung gerne an.«
 »Dann lasse ich Ihrer Crew Lebensmittel ans Schiff bringen.«
 »Sie möchten sie lieber unter Kontrolle haben, damit sie nichts von dem Vorfall ausplaudern, richtig?«
 Aluna machte ein Gesicht, als sei sie beim Griff in den Honigtopf ertappt worden. Dann nickte sie ernst.
 »Meine Mannschaft ist zuverlässig und verschwiegen. Ich werde sie anweisen, nichts von dem Vorfall zu erzählen. Das wird reichen. «

2

 Alexander atmete tief durch. Dort vorne war der Eingang zur Residenz der Herrscherin von Bator. Zwei Wachen standen an der Tür, und zwei weitere waren im Innenraum zu erkennen. Noch einmal prüfte er seine Ausrüstung. Der Helm lag eng an und hatte Kontakt mit seinen Schläfen. Sehr bequem war das nicht, aber darauf kam es auch nicht an. Das Kästchen, das an einem Band um seinen Hals hing, war eingeschaltet und die Verbindung zum Helm war intakt. Der rasiermesserscharfe Dolch war an seinem Platz. Es gab für ihn keinen Grund mehr, noch länger im Schatten dieses Gebäudes zu kauern und zu warten. Er hätte es lieber noch weiter hinausgezögert, denn er hasste seinen Auftrag. Zwar war er einer der Besten im Umgang mit dem Helm, aber er war kein Meuchelmörder. Zumindest noch nicht, dachte er deprimiert. Vielleicht hätte er sich ungeschickter mit dem Helm anstellen sollen. Vielleicht wäre dann ein anderer für diese Mission ausgewählt worden. Vielleicht ...
 Es half nichts. Die Göttin selbst hatte ihn auf diese Mission geschickt. Und der Göttin widersprach man nicht. Jedenfalls nicht öfter als genau einmal in seinem Leben. Ob er einfach verschwinden sollte? Diese Welt außerhalb Nocturs, die er jetzt erstmals betreten hatte, schien deutlich mehr Möglichkeiten zu bieten als Gehorsam oder Tod. Er schaute sich um. Es sah aus, als würde gegenüber, in einem anderen Häuserschatten, noch jemand lauern. Wahrscheinlich wurde er überwacht. Und wenn sein Überwacher den Eindruck bekäme, dass er sich drücken wollte ...
 Alexander unterdrückte einen Seufzer und stieß sich von der Häuserwand ab. Vorsichtig schaute er sich um. Niemand schien Notiz von ihm zu nehmen. Obwohl ... dort schaute jemand direkt in seine Richtung. Alexander zog einige ziemlich alberne Grimassen. Der andere reagierte nicht. Er änderte seine Blickrichtung auch nicht, als Alexander zur Seite trat. Offenbar stierte dieser Mann nur zufällig in seine Richtung und war mit seinen Gedanken ganz woanders. Kein Grund für Alexander, sein Vorhaben aufzugeben. Leider. Langsam näherte er sich jetzt direkt dem Eingang zur Residenz. Die Soldaten nahmen keine Notiz von ihm. Er konzentrierte sich darauf, nur ein unbedeutender Lufthauch zu sein, während er langsam und leise zwischen den beiden Wachen hindurchtrat. Auch an den nächsten beiden Wachen konnte er unbemerkt vorbeilaufen. In Noctur hatte es ihm Spaß gemacht, Wachen und Beobachter auszutricksen. Es war ein Spiel gewesen. Eine Herausforderung. Aber jetzt? Er versuchte zu verdrängen, was er vor sich hatte. Erst einmal hatte er herauszufinden, wohin er eigentlich musste. Langsam schlich er durch die Gänge und belauschte die Gespräche der Vorübergehenden. Schließlich erfuhr er, wo der Überlebende des Piratenüberfalls untergebracht worden war. Offenbar war er, dieser Sato, bereits wieder auf dem Weg der Besserung.
 Mit jedem Schritt, den Alexander in die Richtung des Krankenquartiers zurücklegte, schien eine größere Last seine Schultern zu beschweren. Schließlich erreichte er die Tür. Ein Soldat stand davor Wache. Und die Tür war geschlossen. Irgendwie musste er da hinein. Er stellte sich vor, wie aus dem Zimmer leise nach dem Soldaten gerufen wurde. Und tatsächlich öffnete der Soldat die Tür und trat einen Schritt in das Zimmer. Während er lauschte, ob tatsächlich jemand nach ihm rief, war Alexander bereits an ihm vorbeigeschlüpft. Der Soldat zuckte mit den Schultern und verließ den Raum wieder, um vor der Tür seinen Posten einzunehmen.
 Alexander griff nach seinem Messer und trat an das Krankenbett heran. Der Überlebende sah sehr mitgenommen aus, bleich und fleckig von den Verätzungen, die die Salzlake an seinem Gesicht und den Händen verursacht hatte. Alexander versuchte sich einzureden, er würde Sato von seinen Qualen erlösen, wenn er jetzt das Messer einsetzte. In gewisser Weise schien ihm das Röcheln des Mannes recht zu geben. Trotzdem konnte er sich nicht überwinden, zuzustechen. Krampfhaft presste er den scharfen Dolch an seine Brust. Er musste es tun. Und er musste es jetzt tun. Wenn man ihn erwischte, hätte man sicher keine Skrupel, kurzen Prozess mit ihm zu machen. Plötzlich hörte er Schritte draußen auf dem Gang. Alexander zog sich in den Schatten einer schweren Gardine am Fenster zurück. Der Kontrast zu dem einfallenden Licht würde ihn an dieser Stelle auch ohne den Helm beinahe unsichtbar machen.

 »Irgendwelche Vorkommnisse?«, wollte Aluna von dem Soldaten an der Tür wissen.
 »Nichts Wichtiges. Einmal dachte ich, er habe gerufen. Aber er schläft noch.«
 »Dann werden wir ihn jetzt wohl wecken müssen«, sagte Aluna eher an Flavius gerichtet. »Die Ärzte sagen, er habe sich wieder soweit erholt, dass er berichten kann, was passiert ist.«
 Der Soldat gab die Tür frei und ließ Aluna und Flavius eintreten. Diese gingen direkt auf das Krankenbett zu. Das Salzwasser hatte Sato so übel mitgespielt, dass er wohl erst in einigen Wochen vollständig wiederhergestellt sein würde. Fast sanft griff Aluna nach seinem Arm und rüttelte daran. Stöhnend schlug Sato die Augen auf. Sie waren stark gerötet.
 »Tut mir leid, dass wir dich bei deiner Genesung stören müssen«, begann Aluna leise. »Aber wir müssen unbedingt wissen, was sich auf See ereignet hat. Wieso konnte das Schiff sich gegen den Überfall nicht wehren?«
 Sato schaute fragend auf Flavius.
 »Er hat dich gerettet«, beantwortete sie die unausgesprochene Frage.
 »Sie kamen ganz plötzlich«, begann Sato mit krächzender Stimme. »Von einem auf den anderen Augenblick war das Schiff an unserer Seite und die Männer wurden angegriffen. Von Piraten, aber auch von Geistern. Ja, ich weiß, das klingt verrückt. Aber es waren auch Angreifer dabei, durch die die Schwerter der Matrosen einfach hindurchglitten.«
Flavius schaute Sato sehr nachdenklich an. Plötzlich glitt ein Schatten über sein Gesicht. Mit unbewegter Miene ging er zum Fenster und öffnete es. Als er dabei wie zufällig an dem Vorhang vorbeiging, schlug er plötzlich hart auf denselben ein. Aluna und Sato schauten ihn mit Unverständnis an. Als vom Vorhang ein Schmerzensschrei ertönte, war allerdings auch Aluna alarmiert und rief nach den Wachen.
 Der Soldat, der vor der Tür gestanden hatte, kam sofort mit gezogenem Schwert hereingestürzt. Weitere Soldaten hörte man bereits den Gang entlang rennen. Polternd fiel ein merkwürdig aussehender Helm zu Boden, und ein junger Mann erschien aus dem Nichts. Er hatte einen großen Dolch in der Hand und richtete ihn unsicher auf Flavius, während er sich den Brustkorb hielt, den Flavius offenbar vorher mit seinen Schlägen getroffen hatte. Das Gesicht des Attentäters spiegelte Entsetzen und Angst wieder. Dann richtete er den Dolch auf sich selbst. Flavius griff mit der linken Hand nach der des Mannes und schlug ihm mit der rechten gegen die Schläfe. Das Messer entglitt dem Eindringling, als er bewusstlos zusammensackte.
 Aluna war aschfahl im Gesicht, zeigte sich ansonsten allerdings umsichtig. Sie schob die Waffe mit dem Fuß aus der Reichweite des jungen Mannes und wies die Wachen an, ihn mitzunehmen und in Ketten zu legen.
 »Woher wussten Sie, dass ein Attentäter im Raum war? Ich konnte ihn nicht sehen.«
 Flavius hob den Helm und das Kästchen auf, das er dem bewusstlosen Eindringling abgenommen hatte.
 »Ich spürte Gefahr, als wir das Zimmer betraten, und ich kann mich auf meine Instinkte verlassen. Ich wusste nur nicht, worin die Gefahr bestand. Es hing ein leichter Schweißgeruch in der Luft. Erst dachte ich, er käme von dem Kranken, aber er kam vom Fenster. Als Sato dann von dem plötzlich auftauchenden Schiff erzählte, erinnerte mich das an etwas, das mir mal ein alter Mann erzählt hat. Damals habe ich es für Spinnerei gehalten. Es ging um Fähigkeiten, mit denen man Suggestion auslösen kann, sodass Menschen Dinge sehen, die nicht existieren, oder Dinge, die existieren, nicht wahrnehmen. Der Rest war nur eine Vermutung.«
 »Wem das Attentat wohl gegolten hat? Sato hätte er bereits vor unserer Ankunft töten können. Aber das sollte sich ja herausfinden lassen, da Sie den Selbstmord des Attentäters verhindert haben.«
 »Besonders professionell war er jedenfalls nicht – worüber ich sehr froh bin. Sonst hätte ich ihn nicht so leicht überwältigen können. Ich hatte eher das Gefühl, dass er die Tat mehr fürchtete, als den Tod. Sonst hätte er versucht, seinen Auftrag zu Ende zu bringen.«
 »Seltsam, dass Sie das erwähnen. Auch ich hatte den Eindruck, dass er nicht wirklich gefährlich war. Mal sehen, was beim Verhör herauskommt.«
 Mehr zu sich selbst ergänzte Aluna: »Er könnte einen reizvollen Sklaven abgeben.«
 »Ich wusste gar nicht, dass es in Bator Sklaven gibt«, bemerkte Flavius mit einer hochgezogenen Augenbraue.
 »Wie auch in Nova-Veni ist es bei uns nur der Elite gestattet, sich Sklaven zu halten«, gab sie mit einem süffisanten Lächeln zurück.
 Auch Flavius grinste jetzt wie ein ertappter Schuljunge.
 »Vielleicht sollte ich mich mal auf dem hiesigen Sklavenmarkt umsehen.«
 »Normalerweise steht der Markt Fremden nicht offen. Aber wenn Sie möchten, arrangiere ich das. Erst haben Sie Sato gerettet und jetzt den Attentäter überwältigt. Ich stehe ohnehin in Ihrer Schuld. Und mir ist es lieber, diese durch solche Gefälligkeiten zu begleichen, als durch Entgegenkommen bei den Verhandlungen über die Aufteilung der Abgaben, die wir an die Piraten von Kuza zahlen müssen, wenn sie uns helfen.«
 Flavius lachte.
 »Ich sehe schon interessante Verhandlungen auf uns zukommen.«
 Aluna wies ihre Soldaten an, alle wichtigen Eingänge und Türen der Residenz verschlossen zu halten und zu bewachen und besonders auf unsichtbare Eindringlinge zu achten, damit diese nicht unbemerkt passierten. Der letzte Teil ihres Befehls führte zunächst zu einigen Irritationen. Als die Soldaten nach einer Verschwiegenheitsverpflichtung einige Details des vorangegangenen Vorfalls mit dem Attentäter erzählt bekamen, nahmen sie auch diese Anweisung sehr ernst und führten sie gewissenhaft aus.

(Ende der Leseprobe)

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